Metabolie

 

 

Krieg und Frieden (Sprachphilosophisches Denkmal)

Emma Braslavsky: Krieg und Frieden (Sprachphilosophisches Denkmal)

Eine Generation beginnt immer einen neuen Zyklus, der sich aber auf dem gleichen Ursprung verändert hat. Das Generative erzeugt das Ähnliche im Hinblick auf das Vorangegangene. Eine Konstituente im Alterungsprozess der Zivilisation. In der Kognitionsgeschichte beruhen Fakten auf dem Moment der Erfahrung und der Anerkenntnis. Eine Generation kann nur durch ihre eigenen Erfahrungen zu Erkenntnissen gelangen. So zeigt es sich, dass es scheinbar unmöglich ist, eine hoffnungsvollerweise gewonnene Erkenntnis einer Generation der nächsten zu vermitteln und ihr dabei die Erfahrung zu ersparen.

 

Die Arbeit „Krieg und Frieden“ entstand 2002  unter den Kriegsandrohungen der amerikanischen Regierung an den Irak. Auf einem Bildschirm, der auf Beton befestigt ist und die gleiche Hintergrundtextur hat, läuft ein subtiler Film ab. Er zeigt linksseitig langsam abwechselnd die Bestimmungswörter Kriegs– und Friedens-; rechtsseitig schneller wechselnd die jeweiligen Grundwörter, die ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu ihren Bestimmungswörtern hintereinander in alphabetischer Reihenfolge ablaufen. So entstehen Wortverbindungen wie Friedenshinterbliebene oder Kriegspfeife. Dahinter steht ein generatives Prinzip, nach dem jede Schleife gleiche und neue Verbindungen erzeugt.

Die Schleifen sind unbeeinflussbar, haben eine reine kontemplative Vermittlungsstruktur. Als Mahnmal für das Unvermeidbare wird hier versucht, über die offizielle Sprache, oder besser die proximetrische Ästhetik des öffentlichen Denkmals, Erkenntnis zu vermitteln. Da das aber ein Widerspruch in sich scheint, entpuppt sich die Arbeit nur als schillernder Sisyphos. Als Denkmal, an dem sich nichts weiter als die Gemüter der Autofahrer erhitzen und die Launen der Touristen reiben würden. Einen Krieg verhindern sie wohl nie.

Krieg und Frieden (Collage)

Emma Braslavsky: Krieg und Frieden (Collage)

Die „Sprache“ der eigenen vier Wände

Die Welt ist das Alphabet, das wir entziffern.
Die Wohnung ist das Alpha und das Omega.
Wir wohnen.

Vilém Flusser

Wenn Flusser davon spricht, dass wir ohne Wohnplatz schutzlos wären, bezieht er sich weniger auf den Aspekt der Behausung als auf den Ort der täglichen individuellen Reproduktion. Eine Wohnung eröffnet beziehungsreiche, nicht selten widersprüchliche Wahrheiten über den Einzelnen. Sie kann tiefe Geheimnisse bewahren. Wohnen heißt Kommunikation mit sich und der Außenwelt hinsichtlich der eigenen Welterfahrung. Die Wohnung bietet einen, nach den persönlichen Ansprüchen gestalteten bekannten Rahmen, der es dem Individuum ermöglicht, sein Ich in der veränderlichen Außenwelt zu zeigen und zu erhalten. In den eigenen vier Wänden hat alles seinen Platz, sie bieten Verlässlichkeit, bleiben auch in den unterschiedlichen Lebensphasen authentisch und stehen so als tief sitzendes Symbol in der Vermittlung von innen und außen, von Nest und Kosmos. Die Wohnung entzieht sich einer konkreten Sprache, ihre Einrichtung beruht auf emotionalen Strukturen, enthält Reales und Erträumtes. In der Ausstellung ging es darum, eine gemeinsame Sprache des Individuellen zu finden. Die Konfrontation eines Individuums mit der sehr privaten, nahezu geheimsprachlichen Wohnwelt eines Anderen war hier von besonderem Interesse. Was können wir durch die Wohnung von einem anderen Menschen verstehen? Verändert diese direkte Konfrontation die Sicht des Einzelnen auf sich selbst, gerade weil wir uns vergleichen? Worin sind diese Räume sich ähnlich? Gibt es so etwas wie eine gemeinsame Sprache der Individualität, des Privaten?..

Emma Braslavsky (2005)